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Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt alles zurück.
(Thales von Milet)
... der Dinge ist das Grenzenlose. Woraus sie entstehen, darein vergehen sie auch mit Notwendigkeit. Denn sie leisten einander Busse und Vergeltung für ihr Unrecht nach der Ordnung der Zeit.
(Anaximander, um 615-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Die milesischen Denker Thales, Anaximander und Anaximenes zählen zu den Vorsokratikern (600-350 v.Chr.). Sie werden gerne als Begründer der europäischen Philosophie angegeben. Da keine Schriften von ihnen vorhanden sind, verläuft sich der Beginn der Philosophie im Sand. Einzig durch einige Zitate und Überlieferungen anderer Autoren der Antike, vor allem Aristoteles, wird es möglich, sich eine Skizze dieser Denker zu machen.
GRUNDFRAGE DER PHILOSOPHIE
Philosophie beginnt bekanntlich mit der Frage nach dem Wesen. Die Frage nach dem Was: Was ist? Die ersten Philosophen, die Milesier denken über die Natur nach und staunen darüber, dass es Seiendes gibt. Dass es etwas gibt und nicht einfach nichts.
Wobei der Begriff "Seiendes" alles meint, was es gibt, was es gab und einmal geben wird. Und nur, weil es diese auf das Ganze gerichtete Frage der Philosophie gab, konnte dieser Begriff überhaupt entstehen.
Auf die Grundfrage Was ist? hatten die Milesier Antworten gefunden, die wir nur aus dem Denken dieser frühen Zeit verstehen können. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Welt von Mythen erklärt.
Die ersten bedeutenden Schriftstücke waren die homerischen Epen (Ilias) und Hesiods Götterwelten (Theogonie) ca. 700-800 v.Chr.. Sie stellen die Hauptquellen für unser heutiges Wissen über die griechische Mythologie dar.
Hatten also die Götter das Sagen bis zur Zeit der Milesier, so wurde durch ein neues Weltbild dieser Mythos zunehmend in Frage gestellt. Das neue Weltbild, entstanden durch Reisen und das Kennenlernen anderer Kulturen und Wissenschaften führte die vorsokratischen Philosophen unweigerlich zu neuen Fragen.
Man bedenke, dass
Milet im 6. Jahrhundert v.Chr. bereits ein bedeutender Handelshafen war. Eine multikulturelle Stadt, in der sich verschiedenste Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Religionen begegneten. Die Stadt ist Namensgeberin der Milesier und wird als die Geburtststätte der griechischen Philosophie und Wissenschaft bezeichnet.
Nebst beobachten, aufspüren und erfassen bleiben die Milesier allerdings nicht bei anschaulichen Naturerklärungen stehen. Ihr griechischer Geist fragt nach dem Ursprung der Einheit aller Erscheinungen. Ihre Fragen gehen über das Objektive hinaus. Sie fragen nach dem Grund des Ganzen und zielen auf ein Urprinzip. Sie fragen nach dem Sein des Ganzen und nach dem Seienden. Zwei wesentliche Fragen entstehen hier: Die Frage nach der Einheit und die Frage nach dem Grund.
THALES
Thales von Milet ist uns noch aus der Mathematik bekannt vom Satz des Thales: "Alle in einen Halbkreis eingeschriebenen Dreiecke sind rechtwinklig."
Thales war ein weitgereister Kaufmann. Unter anderem soll er Ägypten bereist und später eine Sonnenfinsternis vorausgesagt haben. Er gilt als der erste der milesischen Naturphilosophen.
Thales fragt als erster nach dem Urprinzip aller Dinge und findet den Urgrund in einem Urstoff. Er soll gesagt haben: "Der Ursprung und Urgrund von allem ist das Wasser". Zwei Quellenzitate sollen dies belegen:
Z I T A T VON CICERO
De principiis rerum, e quibus omnia constant, est inter magnos homines summa dissensio. Princeps Thales ex aqua dixit esse omnia.
Über die Prinzipien der Dinge, aus denen alle Dinge bestehen, herrscht unter grossen Männern grosse Meinungsverschiedenheit. Prinz Thales sagte, dass alles aus Wasser bestehe.
(Marcus Tullius Cicero, 106-43 v.Chr., römischer Philosoph; Libri Academici priores 2,117f., bearbeitet, vgl. Friedrich Maier (1), S. 10))
Z I T A T VON AUGUSTINUS
Thales aquam putabat rerum esse principium et hinc omnia elementa mundi ipsumque mundum et, quae in eo gignuntur, exsistere.
Thales glaubte, dass Wasser der Anfang aller Dinge sei und aus ihm alle Elemente der Welt und die Welt selbst und diejenigen, die in ihr geboren werden, bestehen.
(Augustinus von Hippo, 354-430 v.Chr., römischer Bischof und Kirchelehrer; De civitate Dei 8,2)
ANAXIMANDER
Anaximander war ein Landsmann und Freund von Thales: "Der Ursprung und Urgrund von allem ist das Unbegrenzte".
ANAXIMENES
Bei Anaximenes wird erzählt, die Luft sei Ursprung und Urgrund.
Was heisst es, den Ursprung alles Seienden im Wasser, im Unbegrenzten, in der Luft, im Feuer, in der Materie, in den Atomen... zu sehen?
"Für jeden zeigt sich etwas Wahres, nämlich eine Anschauung und eine Forschungsweise, die in der Welt etwas zu sehen lehrt. Aber jeder wird falsch, wenn er sich zum einzigen macht und alles, was ist, durch seine Grundauffassung erklären will."
(Karl Jaspers, 1883-1969, deutscher Psychiater, Philosoph)
DIE FRAGE NACH DEM GRUND
Mit der Frage "Warum?" fragen wir nach dem Grund. Menschen tun das seit Kindesbeinen ständig und überall. Warum schneit es? Warum gibt es Krieg? Warum gibt es Jahreszeiten? Warum gibt es Krankheit? Warum gibt es Ungerechtigkeit? Hat Gott die Welt erschaffen? Warum passiert das gerade mir?...
Verstehen wir den Grund einer Sache, glauben wir die Sache besser zu verstehen. Die Wissenschaft stellt die Warum-Frage ebenso wie die Philosophie, nur sucht erstere nach kausalen Zusammenhängen. Wenn starke Sonneneinstrahlung Wasser verdunsten lässt und feuchte Luft nach oben steigt, bilden sich Gewitter. Die Wissenschaft will eine Antwort und fragt: "Was ist die Ursache von Gewittern? Was ist die Ursache einer Anämie? Was ist die Ursache des Artensterbens? ...
WISSENSCHAFTLICHES FRAGEN
Grundsätzlich ist der so Fragende überzeugt, es gibt eine oder mehrere Antworten. Mit diesen Antworten kann er sich viel Wissen aneignen und mit dem Wissen wiederum versucht er, die Natur zu beherrschen, sie in den Griff zu bekommen. Was mit diesem Denken angerichtet wurde, ist spür- und sichtbar. Anscheinend mag es die Natur nicht, beherrscht zu werden. Längst schlägt sie auf uns Menschen zurück. Unsere Gier nach Wissen, Macht und Erfolg hat eine Eigendynamik entwickelt, die zerstörerisch wirkt.
PHILOSOPHISCHES FRAGEN
Beim philosophischen Fragen verhält es sich anders. Wer philosophiert staunt, wundert und verwundert sich über die Selbstverständlichkeit, über die Natürlichkeit und macht sie gerade damit erst sichtbar. Philosophie fragt über das Seiende hinaus nach dessen Grund. Der Grund, das Sein könnte in etwa das sein, was uns in sämtlichen Erscheinungen der Natur NICHT erscheint, welches jedoch der Natur das Erscheinen gewährt.
Wir sehen zum Beispiel einen See und neben dem See eine Wiese mit Blumen und hinter dem See Hügel mit Tannen und Buchen und darüber die Sonne am blauen Himmel. Wir sehen wie die langen Gräser der Wiese sich im Wind wiegen, Wellen auf dem See entstehen und wir sehen wie ein Schwarm Vögel aus einem Gebüsch schreckt.
All diese Erscheinungen sehen wir, nehmen sie aber als selbstverständlich hin.
In dieser Selbstverständlichkeit ist es uns jedoch nicht möglich zu sehen und zu erfassen, was die Natur erst sichtbar werden lässt.
Was der Grund (das Sein) des Seienden ist. Es ist das Licht.
Mit der Frage nach dem Grund unterscheidet sich das philosophische Fragen vom wissenschaftlichen.
Für die Wissenschaft scheint eine beantwortete Frage nicht mehr lohnend, nicht mehr interessant. Wissenschaft schreitet permanent und rastlos weiter. Resultate, Erfolg und Fortschritt sind ihre Triebkraft, ihr Anreiz. Philosophie dagegen bleibt fundamental und ursprünglich in ihren Fragen.
Weiter als Platon oder Kant sind wir heute nicht. Einzig haben sich Aspekte verändert und die Perspektiven aus dessen wir dieselben Grundfragen stellen.
Wir sehen, wie tiefgreifend es war, in welcher Art und Weise die Milesier ihr Fragen stellten. Die Fragen nach dem Was und Warum, nach der Einheit und dem Grund und wie sie damit das Weltbild veränderten. Diese Fragen haben bis heute nichts an Aktualität eingebüsst. Sie sind weder veraltet noch gelöst.
(© Artikel von Monika Minder, April 2023)
Von denen, die zuerst philosophiert haben, haben die meisten geglaubt, dass es nur stoffliche Urgründe der Dinge gebe. Denn woraus alle Dinge bestehen, und woraus sie ursprünglich entstehen und worin sie schliesslich vergehen, in dem die Substanz zwar bestehen bleibt, aber in ihren Zuständen wechselt, das erklären sie für das Element und den Urgrund der Dinge... Über die Anzahl und die Art eines solchen Urgrundes haben freilich nicht alle dieselbe Meinung, sondern Thales, der Begründer von solcher Art Philosophie, erklärt als den Urgrund das Wasser (daher glaubt er auch, dass die Erde auf dem Wasser ruhe)... - Es scheint aber Thales, nach dem, was man von ihm überliefert, die Seele für etwas Bewegendes gehalten zu haben, wenn anders er behauptet hat, dass der Magnetstein eine Seele habe, weil er das Eisen bewegt. - Und einige behaupten, dass dem Weltall die Seele eingemischt sei; vielleicht hat daher Thales geglaubt, dass alles von den Göttern sei.
(Aristoteles, 384-322 v.Chr., griechischer Philosoph)
Quelle: Aristoteles, Bildmonographie, 1991 von Jean-Marie Zemb; Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, S. 33.
Einige - so von den ältesten Denkern Anaximandros - behaupten, dass die Erde infolge ihrer Gleichheit an ihrem Platze verharre. Denn das, was im Mittelpunkt ruht und sich in gleicher Weise zu den äussersten Rändern verhält, kann sich um nichts mehr nach oben oder nach unten oder nach einer der beiden Seiten bewegen... Damit das Werden nicht aufhört.
(Aristoteles, 384-322 v.Chr., griechischer Philosoph)
Quelle: Aristoteles, Bildmonographie, 1991 von Jean-Marie Zemb; Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, S. 33.
Anaximenes behauptet, dass die Erde, wenn sie durchnässt und wenn sie ausgetrocknet würde, Risse bekomme und von den dann losgerissenen Erdmassen, die in die Tiefe stürzten, erschüttert würde. Daher entständen die Erdbeben sowohl in Zeiten der Dürre wie umgekehrt in Zeiten übermässiger Regengüsse. - Anaximenes erklärt die Luft für früher als das Wasser und durchaus für den Urgrund der einfachen Körper.
(Aristoteles, 384-322 v.Chr., griechischer Philosoph)
Quelle: Aristoteles, Bildmonographie, 1991 von Jean-Marie Zemb; Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, S. 33.
Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt alles zurück.
(Thales von Milet, 625-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Nach Aristoteles
Sich selbst kennen. / Anderen Rat geben.
(Thales von Milet, 625-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Nach antiker Überlieferung; aus: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Hans-Joachim Störig, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 1992, S. 127.
Was weder Anfang noch Ende hat.
(Thales von Milet, 625-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Nach antiker Überlieferung; aus: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Hans-Joachim Störig, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 1992, S. 127.
Indem wir niemals das tun, was wir an anderen verurteilen.
(Thales von Milet, 625-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Nach antiker Überlieferung; aus: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Hans-Joachim Störig, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 1992, S. 127.
Ausserdem kann es keinen einzigen geben, einfacher Körper, der unendlich ist, entweder, wie manche meinen, eins verschieden von den Elementen, die sie dann daraus ableiten, noch ohne dieses Qualifikation. Denn es gibt welche die dies machen (d. h. einen Körper, der sich von anderen unterscheidet aus den Elementen) das Unendliche, und nicht Luft oder Wasser, damit die andere Sachen dürfen nicht zerstört werden durch ihre Unendlichkeit. Sie sind drin Gegensatz zueinander – Luft ist kalt, Wasser feucht und Feuer heiss – und daher, wenn einer von ihnen wären unendlich, der Rest hätte hörte zu diesem Zeitpunkt auf...
(Anaximander, um 615-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Quelle: Fragmente; Memento vom 5. Dezember 2004 im Internet Archive, griech., engl., franz.; PDF-Datei; 136 kB)
Der Mensch war wie ein anderes Tier, nämlich ein Fisch, am Anfang.
(Anaximander, um 615-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Der Ursprung der Dinge ist das Grenzenlose. Woraus sie entstehen, darein vergehen sie auch mit Notwendigkeit. Denn sie leisten einander Buße und Vergeltung für ihr Unrecht nach der Ordnung der Zeit.
(Anaximander, um 615-545 v.Chr., griechischer Philosoph)
Quelle: Wilhelm Nestle, Die Vorsokratiker in Auswahl, 1908 (2. Auflage 1922). 1.
Wie unsere Seele, die aus Luft besteht, uns zusammenhält, so umschließt auch Lufthauch das ganze Weltall.
(Anaximenes, um 585-523 v.Chr., griechischer Philosoph)
Quelle: Wilhelm Nestle, Die Vorsokratiker in Auswahl, 1908 (2. Auflage 1922). 2.
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Leben, politisches Wirken, Philosophie und Wissenschaft, Anekdoten, Überlieferung, Ehrung.
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